Sich wehren anstatt sich vereinnahmen lassen

In der neuesten Ausgabe des mozaik, der Quartierzeitung für das untere Kleinbasel, wurde erneut ein Artikel von uns veröffentlicht. Dieser nimmt inhaltlich Bezug auf den Artikel von Karl Linder in der letzten Ausgabe und versucht auf der anderen Seite, darüber hinauszugehen:

Sich wehren anstatt sich vereinnahmen zu lassen

Nicht einfach zuschauen, sondern Worte und Taten finden, um uns gegen die drohende Verdrängung aus unseren Nachbarschaften zur Wehr zu setzen. Das wäre eine zukunftsfähige Perspektive für das Klybeck und Kleinhüningen (und darüber hinaus). Dazu ist eine starke Organisierung auf Quartiersebene nötig.

 „Nicht einfach verhindern, sondern die ohnehin stattfindende Stadtentwicklung gestalten“, schreibt Karl Linder in der letzten Ausgabe des mozaik. Anders ausgedrückt: Es ist so, wie es ist – dagegen zu sein ist unmöglich. So argumentiert auch die profitorientierte Stadtentwicklung, indem sie behauptet, dass letztlich kein anderer Weg als jener des wirtschaftlichen Wachstums existiere. Doch eine Entwicklung, wie sie am Klybeckquai geplant ist, ist nicht natürlich und schon gar nicht unumgänglich.
Diese (neoliberale) Argumentation lässt sich überall dort beobachten, wo Kritik an unserer kapitalistischen Gesellschaft geübt wird. „Rheinhattan versenken!“ versucht diese Undenkbarkeit gesellschaftlicher Alternativen zu überwinden, indem wir unsere Ideen und Ideale und nicht den starren Status Quo an erste Stelle setzen. Wir stürzen – nicht erst seit der Finanzkrise – in eine tiefe politische, soziale, wirtschaftliche und ökologische Katastrophe und niemand weiss, wie hart der Aufprall sein wird.

 Soziale Durchmischung als Kampfbegriff und Herrschaftsinstrument
Fast schon reflexartig propagiert die Stadtplanung das Patentrezept einer „ausgewogenen Durchmischung“ der Quartiere Klybeck und Kleinhüningen. Interessant, wie dieses Konzept immer auf ärmere Stadtteile angewendet wird – warum nicht das Bruderholz durchmischen? Offensichtlich wird die Konzentration von Armut als Problem angesehen. Auf der anderen Seite zeigt die Einseitigkeit der Diskussion, dass nur aus ärmeren Stadtteilen noch Profit geschlagen werden kann.
Es wird verschwiegen, dass der zuziehende Mittelstand in erster Linie dazu dient, die Wertschöpfung im neuen Investitionsraum zu garantieren. Gleichzeitig ist die Forderung nach sozialer Durchmischung romantisch verklärt, da deren vermeintlich positive Effekte gesellschaftliche Verdrängungsmechanismen unsichtbar machen.
Was sich hier exemplarisch zeigt, ist ein Herrschaftsanspruch, der auf die armen – und damit für Investitionen interessanten – Quartiere erhoben wird: Was nicht rentiert, wird aufgewertet. Menschen spielen in dieser Vorstellung keine Rolle.

Gekämpft wird in der „ersten Person“
Wir finden es mehr als legitim, unsere Position zu vertreten und haben dafür mit allerlei Unwahrheiten zu kämpfen, die über uns verbreitet werden – dass wir z.B. für das ganze Klybeck sprechen wollen, wie unter anderem Linder uns vorwirft. Um es kurz zu machen: Wir lehnen das Konzept der (politischen) Repräsentation und der Delegation ab, weil wir glauben, dass jedeR selbst über das eigene Leben und diejenigen Dinge entscheiden sollte, die sie oder ihn betreffen. Für uns liegt in dieser Vorstellung eine grössere Freiheit. Grösser als jene, die uns eine zentrale Instanz wie der Staat zugestehen kann, der über die Köpfe der Betroffenen hinweg Entscheidungen trifft – „Mitwirkung“ hin oder her.

So versuchen wir, verschiedene gesellschaftliche Entwicklungen als Teil eines grossen Ganzen zu verstehen, in dem verschiedene soziale Konfliktfelder, besser: Herrschaftsverhältnisse, miteinander verbunden sind und sich gegenseitig stützen. Sie können daher auch nur gemeinsam, mit dem Ziel ihrer Auflösung, angeprangert werden. Konzentrieren wir uns einzig auf die Verwertbarkeit des städtischen Raums, können wir gar nichts gewinnen.
Aus diesem Grund bekämpfen wir Rheinhattan: Nicht nur als Projekt, sondern auch als Sinnbild einer auf Profit und Machterhaltung ausgerichteten Gesellschaftsordnung, die unserer Ansicht nach keine Daseinsberechtigung besitzt.

Wir sind nicht viele (noch nicht), das ist uns bewusst. Ebenso bewusst ist uns aber, dass diejenigen, welche da oben in ihren Büros sitzen, auch nicht gerade viele sind.

Hier findet sich die .pdf-Version des Artikels.

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