Die Entwicklung im sogenannten 3-Land Gebiet wird in Basel nun schon seit einer Weile breit diskutiert und auch kritisiert. Ein bisschen Visionen, ein bisschen Widerstand, ein bisschen Relativierung und haufenweise politisches Scheitern und Unklarheit. Vor Kurzem wurde eine zweite Vision festlich vorgestellt. Ein guter Zeitpunkt um die bisherige Entwicklung nochmals aufzurollen.
2011 wurde die erste Vision in der 3-Land Entwicklung vorgestellt. Damals stachen v.a. die Hochhäuser auf der Rheininsel ins Auge und wurden auch gleich zu einem Bild, das sich in den Köpfen derjenigen festsetzte, über welche hier hinweggeplant wird. Kritik wurde laut, Menschen aus dem Quartier kamen zusammen, diskutierten und organisierten sich, Podiumsdiskussionen wurden gestört, Sprüche und Plakate gegen „Rheinhattan“ tauchten im Quartier auf, Verantwortliche wurden benannt und teilweise auch angegriffen, Informationsveranstaltungen wurden vom Quartier fürs Quartier selbst abgehalten… und prompt kam die Relativierung: sicher sei nur, dass dies nicht 1 zu 1 so gebaut werde.
2015 kommt nun die nächste Vision, an der vom Architekturüro „LIN“ („Laboratorium für Architektur, Urbanismus und Design“ aus Berlin und Paris) offenbar schon seit 2013 rumgebastelt wird. Dieses Mal eine eher lighte Version. Die Hochhäuser sind weg, oder auf jeden Fall nicht mehr ganz so hoch, Grünflächen werden vermehrt hervorgehoben. Doch auch hier relativiert man präventiv: „Das Einzige, was wir heute schon wissen, ist: Die Region wird mit Sicherheit nie so aussehen wie auf diesen Visualisierungen“ meint Wessels und erklärt dann gleich, dass all diese Visionen zur Aufrechterhaltung und Förderung der Debatte um die Regionale Weiterentwicklung dienen. Den Dialog mit den Bewohnenden suchen, sei also wichtig, wird dann auch bei der Vorstellung der neuen Vision in Weil vermehrt wiederholt. Na logisch, müssen die politischen Akteure doch das Gefühl vermitteln, dass sie, die gewählten Repräsentant_innen, selbstverständlich Rücksicht auf Ängste und Interessen der Betroffenen nehmen. Dass sie auf diesen Dialog auch gerne mal verzichten oder (pardon) scheissen, haben sie schon längst bewiesen (um nur ein paar Stichworte zu nennen: Informationen werden nicht weitergegeben, Informationsveranstaltungen nicht abgehalten, Begleitgruppe so machtlos wie praktisch inexistent, das ganze Vorgehen auf dem Wagenplatz, die geheime Vergabe der Zwischennutzungen allgemein und v.a. von ShitMode und dessen Umsetzung…).
Wie ein freier, gleichberechtigter Dialog mit den Herrschenden, welche bekanntlicherweise andere Menschen zu beherrschen versuchen, überhaupt aussehen soll, das muss auch erst noch jemand rausfinden. Von Oben kommt gerne mal was Schöngeredetes, wenn es nicht gerade offensichtliche Lügen sind. So wurde an der Eröffnungsfeier zum Beispiel auch gerne wiederholt, dass es doch wahnsinnig toll sei, über Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten, dass dies doch die beste Möglichkeit sei, diese Grenzen überflüssig zu machen. Für das, was der Wirtschaft dienlich ist, selbstverständlich. Bei dem nicht ganz so Verwertbaren, wie vielleicht Flüchtlingen, welche dann „eh nur auf der Tasche rumliegen“, bleiben die Grenzen dann doch dicht. Wer bei solchem Palaver über offene Grenzen die vergangenen Flüchtlingskatastrophen im Mittelmeer vor Augen hat, bei welchen alleine im letzten Monat weit mehr als Tausend Menschen starben, dem wird die Scheinheiligkeit und Ekligkeit dieses Schönredens und dieser Politik bewusst. Alle drei an der 3-Land-Vision beteiligten Länder unterstützen auch die für diese Katastrophen mitverantwortliche Frontex-Mission im Mittelmeer und arbeiten aktiv an der Abschottung Europas mit. Da bleibt einem nicht viel zu sagen übrig, wenn VertreterInnen dieser Politik vom Öffnen der Grenzen reden – im besten Fall bleibt Wut!
Doch schliessen wir diese Klammer und kommen zurück zur neuen Vision. Wie gesagt macht diese einen weniger pompösen, überheblichen Eindruck als ihre Vorgängerin, was für uns aber noch lange nicht bedeuten wird, dass wir aufs Maul hocken werden und diese geplante Überbauung widerstandlos hinnehmen werden. Die Ausgangslage, Motivationen und Auswirkungen sind die gleichen geblieben: Nicht die Menschen selbst sollen über ihr Haus, ihr Quartier, ihre Stadt, ihr Leben bestimmen (das wäre ja Wahnsinn), sondern sogenannte Expert_innen, Politiker_innen und Urbanist_innen, welche im „Dienste der Allgemeinheit“ für unser Wohl schauen. Natürlich soll dabei auch an das Wohl der Wirtschaft gedacht werden: Der Städteumbau muss immer auch „ökonomisch effizient“ sein, die Stadt auf dem Markt „attraktiv“ machen. Grau, teuer, hässlich, steril, überwacht, langweilig und leblos passen wohl eher besser. Ja und wir, welche vorhin dort gehaust haben, ja, wir sind dann hoffentlich bald mal weg, denn die Prozesse der sog. Aufwertung (= steigende Mieten = Verdrängung) werden auch bei dieser „Rheinhattan light“-Version die Gleichen bleiben. Um das Wohl der wirtschaftlich “Unbrauchbaren”, der Menschen, die wenig Geld haben, müssen sich die Planer_innen und Politiker_innen nicht kümmern. Menschen, die für die Arbeitgeber kein nutzbringendes Humankapital und für die Stadt schlechte Steuerzzahler_innen sind, können als menschliche Ware ausgetauscht werden. Ihre eigenen Interessen (Wirtschaftswachstum, Stabilität der bestehenden Ordnung und Bereicherung) stehen auch dieses Mal im Vordergrund.
An euch Menschen der Stadtregierung hier und anderswo: Ihr könnt noch hundert neue Visionen ausarbeiten, Kritiken an den Projekten selbst jeweils integrieren, wir wollen kein Einziges davon, weil wir eure Vorgehensweisen, eure Logik nicht wollen. Weil wir euch nicht wollen! Weil wir selbst wissen, was wir wollen!